Wie geht friedensgeleitete Außenpolitik, Jan van Aken?

Shownotes

Kriege, Klimakrise, Konflikte im transatlantischen Lager – unsere Welt verändert sich rasant. Doch die deutsche Bundesregierung kennt darauf nur eine Antwort: Aufrüstung. In kürzester Zeit soll die Bundeswehr die größte konventionelle Streitmacht Europas werden. Stimmen, die für Frieden und Entspannungspolitik eintreten, haben es dagegen schwer. Wie stellen sich diese Herausforderungen aus linker Perspektive dar?

In der ersten Folge unseres Podcasts «Weltunordnung» stellt sich Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linkspartei und Außenpolitikexperte, unseren Fragen. Ob Ukraine-Krieg, Gaza oder Deutschlands Rolle in der Welt – in diesem Podcast sprechen wir über Themen, die auch in der Linkspartei kontrovers diskutiert werden. Wir wollen wissen, wie eine linke Außenpolitik aussehen könnte, die konkrete Schritte zur Lösung dieser Konflikte bietet und den Weg in eine andere Welt möglich macht.

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Transkript anzeigen

Intro: Weltunordnung. Der internationale Politik-Podcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Pauline Jäckel: Seien es heiße Kriege, die die Regeln der internationalen Politik unterminieren,

Pauline Jäckel: Handelskriege, die die Grundlagen der kapitalistischen Globalisierung infrage

Pauline Jäckel: stellen oder ökologische Krisen, die langfristig unsere Existenz bedrohen.

Pauline Jäckel: Die Weltordnung, die noch vor wenigen Jahren als stabil galt,

Pauline Jäckel: gerät gerade ins Wanken.

Pauline Jäckel: Doch was folgt daraus? Kehren wir zurück zum Recht des Stärkeren oder eröffnet

Pauline Jäckel: sich ein Möglichkeitsfenster für eine gerechtere Weltordnung?

Pauline Jäckel: In diesem Podcast wollen wir uns genau diesen Fragen widmen und aus sozialistischer

Pauline Jäckel: Perspektive auf internationale Politik blicken.

Pauline Jäckel: Alle zwei Wochen sprechen wir dafür mit Expertinnen aus Wissenschaft,

Pauline Jäckel: Zivilgesellschaft und Politik über Themen, die mal prominent in den Schlagzeilen

Pauline Jäckel: stehen, mal jenseits medialer Aufmerksamkeit liegen.

Pauline Jäckel: Statt Alarmismus und schneller Empörung wollen wir Raum schaffen für vertiefte Analysen.

Felix Jaitner: Die Stimme, die ihr gerade gehört habt, ist Pauline Jeckels.

Felix Jaitner: Vielleicht kennt ihr sie aus der Bundespressekonferenz, wo sie gerne die Bundesregierung

Felix Jaitner: mit kritischen Fragen zur deutschen Außenpolitik nervt.

Felix Jaitner: Pauline war zwei Jahre lang Redakteurin für parlamentarische Berichterstattung

Felix Jaitner: bei der Tageszeitung ND.

Felix Jaitner: Jetzt ist sie seit ein paar Monaten Redakteurin im Meinungsressort der Taz.

Pauline Jäckel: Und das war Felix Jeitner. Er ist Senior Fellow am Institute for Global Reconstitution,

Pauline Jäckel: einem Forschungsinstitut in Berlin, das infolge des russischen Angriffs auf

Pauline Jäckel: die Ukraine gegründet wurde.

Pauline Jäckel: Er schreibt regelmäßig für das ND die deutsche Ausgabe von Jacobin und die kroatische

Pauline Jäckel: Wochenzeitung Novosti.

Felix Jaitner: In dieser ersten Folge sprechen wir mit Jan von Aken über die Außenpolitik der Linkspartei.

Felix Jaitner: Wie die allermeisten von euch wissen werden, ist er seit Oktober 2024 Vorsitzender

Felix Jaitner: der Linken und sitzt seit diesem Jahr wieder als Abgeordneter im Bundestag,

Felix Jaitner: wo er sich als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses vor allem um außenpolitische Themen kümmert.

Felix Jaitner: Mit Außenpolitik hat er sich sehr lange beschäftigt, insbesondere als UN-Biowaffeninspekteur,

Felix Jaitner: Mitarbeiter internationaler Organisationen wie der WHO und zuletzt als Referent

Felix Jaitner: für internationale Konflikte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Felix Jaitner: Viele von euch kennen Jan auch als Host des Disharm-Podcasts.

Felix Jaitner: Gemeinsam mit Linda Peikert hat er bei Disharm mit Wissenschaftlerinnen und

Felix Jaitner: Aktivistinnen aus aller Welt über Möglichkeiten einer friedlichen Außenpolitik gesprochen.

Felix Jaitner: Diesen Faden greifen wir in Weltunordnung auf und freuen uns mit ihm in seiner

Felix Jaitner: neuen Rolle als Parteivorsitzender der Linken über Krieg und Frieden und globale

Felix Jaitner: Machtverhältnisse zu sprechen und darüber, was linke Außenpolitik heute leisten kann.

Pauline Jäckel: Hallo lieber Jan, sehr schön, dass du da bist.

Jan van Aken: Ja, nett, mal wieder hier zu sitzen.

Pauline Jäckel: Mit dem Thema Außenpolitik gewinnt man ja bekanntlicherweise nicht nur keine Wahlen.

Pauline Jäckel: Die Linkspartei ist auch sehr weit davon entfernt, in eine Position zu kommen,

Pauline Jäckel: wo sie die deutsche Außenpolitik mitgestalten kann.

Pauline Jäckel: Und warum ist es trotzdem außenpolitische Themen in der Partei Streitthema Nummer eins?

Pauline Jäckel: Welche Rolle spielt eigentlich Außenpolitik für die Linkspartei?

Jan van Aken: Also Veränderungen bei deutschen Waffenexporten. dass überhaupt kritisch über

Jan van Aken: Auslandseinsätze geredet wird und immer weniger deutsche Soldaten im Ausland sind.

Jan van Aken: Ohne die Linke oder damals die PDS im Parlament wäre das alles ganz anders.

Jan van Aken: Also da haben wir ohne mitzuregieren, glaube ich, Dinge verändert.

Jan van Aken: Nur in den drei Jahren sind wieder Wahlen. Und unser Ziel ist natürlich,

Jan van Aken: dass es dann keine Mehrheit von AfD und CDU mehr gibt.

Jan van Aken: Und die zweite Aussage, die du hattest, das ist das Streitthema Nummer eins, das weiß ich gar nicht.

Jan van Aken: Also als Linke haben wir immer sehr starke Positionen und wir diskutieren eigentlich

Jan van Aken: über alle Themen relativ intensiv, ob wir zu den Außenpolitik da besonders,

Jan van Aken: Rauschticht weiß ich nicht. Auch da haben wir unterschiedliche Positionen,

Jan van Aken: aber ich würde mal sagen, 90, 95 Prozent der Positionen, da sind wir uns einig in der Partei.

Pauline Jäckel: Naja, dass die Außenpolitik kein Streitthema ist, das würde ich doch jetzt in Frage stellen.

Jan van Aken: Kein, sag ich auch nicht. Also das ist ja, ich meine, hast du fünf Linke,

Jan van Aken: hast du sechs Meinungen im Raum und die werden wir im Moment verteidigt.

Jan van Aken: Also dass wir über alle Themen, ob das nun Mietenpolitik ist oder Bürgergeld

Jan van Aken: oder whatsoever oder Ukraine, dass wir da heftig drüber diskutieren,

Jan van Aken: das finde ich normal und das finde ich auch richtig.

Jan van Aken: Ich meine, wir als Partei wären tot, wenn wir aufhören würden zu diskutieren

Jan van Aken: und einfach nur noch im Guru da vorne folgen. Also insofern,

Jan van Aken: dass da heftig diskutiert wird, ist richtig.

Jan van Aken: Aber das ist nicht exklusiv für

Jan van Aken: die Außenpolitik. Das gilt für alle Themen und ich finde es auch gut so.

Pauline Jäckel: Sehr viele Jahre waren so die außenpolitischen Positionen der Linkspartei geprägt

Pauline Jäckel: von drei sogenannten Haltelinien.

Pauline Jäckel: Einmal das Nein zu Waffenlieferungen, Nein zu Auslandseinsätzen und Nein zur NATO.

Pauline Jäckel: Seit der Gründung des Bündnessarer Wagenknecht hat sich die Diskussion ja schon verändert.

Pauline Jäckel: Was würdest du sagen, sind heute diese Grundpfeiler der Linkspartei und auf

Pauline Jäckel: welche Analyse fußen diese Grundpfeiler?

Jan van Aken: Ja, der Kern ist, wir sind Internationalisten und wenn irgendwo Unrecht geschieht,

Jan van Aken: dann mischen wir uns ein. Die Frage ist, wie mischst du dich ein?

Jan van Aken: Also wie reagierst du darauf, wenn dieser faschistische, islamische Staat die Kurdin angreift?

Jan van Aken: Schickst du denen Waffen oder machst du sozusagen eine andere Außenpolitik,

Jan van Aken: die verhindert, dass der IS stark wird?

Jan van Aken: Wie reagierst du auf soziale Ungerechtigkeiten, habe ich eben gerade gesagt.

Jan van Aken: Also wir mischen uns ein, auf die eine oder andere Art und Weise.

Jan van Aken: Aber wir mischen uns nicht mit einem rein militärischen Blick ein.

Jan van Aken: Das ist, glaube ich, der Unterschied zu den anderen Parteien hier in Deutschland

Jan van Aken: oder den anderen Parteien im Bundestag, die im Zweifelsfall Waffen und Bundeswehr schicken.

Jan van Aken: Und dann sagen wir, nee, zwischen militärischem Handeln und Nichtstun gibt es

Jan van Aken: ganz, ganz viele Handlungsoptionen, die ein Staat wie Deutschland hat,

Jan van Aken: im zivilen Bereich, und über die wollen wir erst mal reden.

Jan van Aken: Und deswegen waren wir gegen den Auslandseinsatz in Afghanistan,

Jan van Aken: Deswegen sind wir gegen die Waffenlieferung in die Ukraine.

Jan van Aken: Also das sind so völlig klare Haltungen sozusagen.

Jan van Aken: Mein persönlicher Pazifismus ist gar kein radikaler. Also ich finde,

Jan van Aken: es gibt historische Situationen, in denen muss man auch zur Waffe greifen.

Jan van Aken: Nationalsozialismus zum Beispiel, aber mein Pazifismus ist einer,

Jan van Aken: der heißt Primat des Zivilen.

Jan van Aken: Das heißt immer erstmal alle zivilen Möglichkeiten ausreizen und wenn das nicht

Jan van Aken: passiert, dann auf jeden Fall gegen militärische Optionen sein.

Pauline Jäckel: Und da sind wir im Prinzip auch schon bei dem ersten Thema, was auch ein Streitthema

Pauline Jäckel: in der Linken ist, ein Streitthema in der Gesellschaft und zwar beim Ukraine-Konflikt.

Felix Jaitner: Genau, Jan, ich würde gerne mit dir über den Streitpunkt im Ukraine-Krieg in

Felix Jaitner: der Linkspartei sprechen.

Felix Jaitner: Das ist die Frage der Waffenlieferungen, denn ich bin schon der Meinung,

Felix Jaitner: dass es da durchaus unterschiedliche Positionen gibt.

Felix Jaitner: Es sprechen ja auch prominente Mitglieder der Linkspartei für Waffenlieferungen

Felix Jaitner: an die Ukraine, immer wieder zuletzt der langjährige thüringische Ministerpräsident

Felix Jaitner: und der aktuelle Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow.

Felix Jaitner: Und du bleibst ja bei deinem Nein für Waffenlieferungen.

Felix Jaitner: Könntest du das nochmal begründen? Und welche Schritte zu einer wirksamen Beendigung

Felix Jaitner: des Krieges schlägst du stattdessen vor?

Jan van Aken: Ich glaube, wo wir uns alle einig sind, in der Partei oder auch in der breiteren

Jan van Aken: gesellschaftlichen Linken, wir als Internationalisten stehen an der Seite der

Jan van Aken: Menschen in der Ukraine.

Jan van Aken: Das ist unser Ausgangspunkt. Allen unterdrückten, ausgebeuteten,

Jan van Aken: angegriffenen, gefolterten gehört unsere Solidarität.

Jan van Aken: Und von diesem Ausgangspunkt ist jetzt die Frage, mit welchen Methoden kann

Jan van Aken: ich die am besten gegen einen imperialistischen Aggressor wie Russland unterstützen.

Jan van Aken: Und dann sagen die einen eben, nur mit zivilen Mitteln wird das nicht gehen,

Jan van Aken: man muss auch militärisch agieren. Und da gibt es unterschiedliche Auffassungen zu.

Jan van Aken: Wir werden ja auch von der ukrainischen Linken sehr stark dafür kritisiert.

Jan van Aken: Also ich persönlich auch, weil ich ja gegen die Waffenlieferung bin.

Jan van Aken: Ich bin aber deswegen extra auch in die Ukraine gefahren. Ich habe auch in diversen

Jan van Aken: Zoom-Calls mit ukrainischen Linken teilgenommen, um zu versuchen,

Jan van Aken: meine Haltung zu erklären, die eben nicht die Wagenknechthaltung ist.

Jan van Aken: Die sagt, leg doch die Waffen nieder, übergebt das ganze Land Russlands,

Jan van Aken: also sozusagen lass den Aggressor gewinnen, sondern immer aus einer Haltung

Jan van Aken: an der Seite der Menschen in der Ukraine und für einen gerechten Frieden.

Jan van Aken: Aber ich sehe eben, dass viele zivile Möglichkeiten, die es gegeben hätte,

Jan van Aken: die jetzt immer weniger werden, aber die es gegeben hätte, dass sie nicht mal versucht worden sind.

Jan van Aken: Und solange das nicht mal versucht wird, bin ich nicht bereit,

Jan van Aken: über militärische Lösungen zu reden.

Felix Jaitner: Welche wären das denn zum Beispiel?

Jan van Aken: Also das drastische Beispiel wäre zum Beispiel gewesen, damals am 25.

Jan van Aken: Februar 2022 hätte die EU über Nacht ein Ölembargo beschlossen.

Jan van Aken: Sehr drastisch hätte auch die Länder in Westeuropa sehr viel Geld gekostet,

Jan van Aken: aber damit hätte Russland nicht gerechnet. Denn das ganze Ölgeld geht zum größten

Jan van Aken: Teil direkt in die Staatskasse.

Jan van Aken: Mit den Öleinnahmen finanzieren sie den Krieg.

Jan van Aken: Und wenn dann plötzlich sozusagen die Kriegskasse über Nacht geleert werden

Jan van Aken: würde, wären, glaube ich, die Friedensverhandlungen in Istanbul zwei Monate

Jan van Aken: später, also im April 2022, wären völlig anders verlaufen. Da bin ich relativ sicher.

Jan van Aken: Das hätte sehr viel Geld gekostet, aber Geld war damals ja nicht knapp.

Jan van Aken: Also innerhalb dieser Woche hat ja die Bundesregierung plötzlich 100 Milliarden

Jan van Aken: locker gemacht für Waffen.

Jan van Aken: Die hätten sie auch locker machen können, um unsere Heizkostenrechnung zu finanzieren.

Jan van Aken: Und ich glaube, dieses zivile Mittel,

Jan van Aken: Hätte die Kosten-Nutzen-Rechnung, und jeder Krieg beruht immer auf einer Kosten-Nutzen-Rechnung,

Jan van Aken: hätte die Kosten-Nutzen-Rechnung im Kreml komplett verschoben.

Pauline Jäckel: Wie erklärst du dir, dass man das nicht gemacht hat, wenn man diese Möglichkeit gehabt hätte?

Jan van Aken: Ich glaube, es wurde befürchtet, dass es die europäische Wirtschaft zu sehr

Jan van Aken: schwächt im weltweiten Wettbewerb.

Jan van Aken: Ein konkretes Beispiel, wo man das auch gut dran belegen kann.

Jan van Aken: Es gibt einen Mann, einen guten Freund Putins, ich glaube, das ist der zweitreichste

Jan van Aken: Russe, Vladimir Protanin, der kontrolliert vor allem den Nickel-Handel.

Jan van Aken: Der hat gerade ein riesiges Projekt auch mit deutschen Firmen gemacht,

Jan van Aken: wo es um Autobatterien ging und so weiter.

Jan van Aken: Das ist völlig klar, er ist ein ganz starker Unterstützer Putins.

Jan van Aken: Er stand über ein Jahr lang nicht auf der Sanktionsliste. Ich glaube,

Jan van Aken: völlig einfach, weil die deutsche Autoindustrie gesagt hat, bloß nicht,

Jan van Aken: weil dann haben wir ein Problem mit unseren E-Autos.

Jan van Aken: Deswegen lasst ihn mal schön runter von der Sanktionsliste. Das heißt,

Jan van Aken: alles, was mir, meinen reichen Buddies, meinen großen Firmen im Land wehtun

Jan van Aken: könnte, wird nicht an Sanktionen gemacht.

Jan van Aken: Und deswegen sind, glaube ich, die politischen Entscheidungen in der EU nie

Jan van Aken: gelenkt gewesen von, wie kann man den Kreml stoppen, sondern was kann man tun,

Jan van Aken: damit das nach Aktivität aussieht, ohne uns selber wehzutun.

Jan van Aken: Und Waffen liefern ist sozusagen das, was meiner Wirtschaft am wenigsten wehtut

Jan van Aken: oder am Ende vielleicht sogar noch nützt, weil Milliarden von Staatsgeldern

Jan van Aken: als Subventionen an Rheinmetall und andere gehen.

Felix Jaitner: Also du würdest kritisieren, dass die westliche Politik gegenüber der Ukraine

Felix Jaitner: nicht darauf ausgerichtet ist, wirklich zu einem Ende des Krieges beizutragen

Felix Jaitner: und dafür alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen,

Felix Jaitner: sondern letztendlich kriegsverlängernd wirkt, zum Beispiel auch die Waffenlieferung.

Jan van Aken: Ja, aber nicht bewusst. Also ich würde schon zugestehen, dass auch die Bundesregierung

Jan van Aken: immer das Ziel hatte, den Krieg zu stoppen oder zu verkürzen.

Jan van Aken: Das Ziel hatten sie bestimmt.

Jan van Aken: Aber sie waren nicht bereit, dafür bestimmte Preise zu zahlen.

Jan van Aken: Sie waren nicht bereit, dafür ein Botanien auf eine Liste zu setzen und möglicherweise

Jan van Aken: gehen dann die deutschen Autohersteller da in die Miesen.

Jan van Aken: Sie waren nicht bereit, irgendwie ein Öl-Embargo über Nacht zu machen,

Jan van Aken: weil das könnte die deutsche Wirtschaft schaden im Wettbewerb mit China und den USA. Solche Punkte.

Jan van Aken: Das heißt, sie hatten schon das Ziel, waren aber nicht bereit,

Jan van Aken: dafür den Preis zu zahlen. Ich finde auch sehr drastisch sieht man das an den

Jan van Aken: sogenannten Schattentankern.

Jan van Aken: Also nach einem Jahr gab es ja endlich ein Öl-Embargo. In der Zwischenzeit konnte

Jan van Aken: Russland eine Schattentankerflotte aufbauen und weiter ihr Öl exportieren.

Jan van Aken: Die müssen nun durch die Ostsee fahren. Die fahren also jeden Tag in Fehmarn in Sichtweite vorbei.

Jan van Aken: Die hätte man mit allen möglichen Mitteln so behindern können,

Jan van Aken: um den Transportpreis so in die Höhe zu treiben, dass sich das für Russland nicht gelohnt hätte.

Jan van Aken: Und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum machen die das eigentlich nicht?

Jan van Aken: Also das wäre ein gutes Mittel für die Bundesregierung, für Schweden,

Jan van Aken: Dänemark gewesen, die Transportkosten für das Öl in Russland so in die Höhe

Jan van Aken: zu treiben, bis die Kriegskasse geplündert würde.

Jan van Aken: Und die Antwort, die ich von vielen Ökonomen höre, naja, dann würde der Weltmarktpreis für Öl steigen.

Jan van Aken: Das will Deutschland nicht, weil es die eigene Industrie schädigen würde.

Jan van Aken: Und ich glaube, da kann was dran sein, dass es tatsächlich darum geht,

Jan van Aken: eher die deutsche Industrie zu schützen, als die Menschen in der Ukraine,

Jan van Aken: die gerade mit Drohnen angegriffen werden.

Felix Jaitner: Verändern wir nochmal unsere Perspektive und gucken auf die russische Seite,

Felix Jaitner: die ja trotz der US-amerikanischen Bemühungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch

Felix Jaitner: wenig Interesse an Verhandlungen signalisiert.

Felix Jaitner: Das zeigt sich ja unter anderem auch im Verlauf der Gespräche in Istanbul im Mai diesen Jahres.

Felix Jaitner: Wie kann man deiner Meinung nach Russland zu ernsthaften Verhandlungen bewegen?

Jan van Aken: Ich finde es völlig klar, dass Russland...

Jan van Aken: Die niemals Interesse an echten

Jan van Aken: Verhandlungen hatte. Die Ukraine hatte das bis vor dem Jahr auch nicht.

Jan van Aken: Und deswegen ist immer die Frage, wie kriegst du Kriegsparteien an den Verhandlungstisch?

Jan van Aken: Da haben Akteure von außen relativ eingeschränkte Möglichkeiten, aber es gibt sie.

Jan van Aken: Und ein Prinzip, mit dem das immer wieder klappt, ist das Prinzip des großen Bruders.

Jan van Aken: Das heißt, einflussreiche, starke Verbündete der Kriegsparteien nehmen Einfluss

Jan van Aken: auf die Kriegspartei, reden weltöffentlich über Verhandlungen,

Jan van Aken: bereiten sie vor und laden ein.

Jan van Aken: Und der eine große, starke Verbündete von Russland ist China.

Jan van Aken: So, jetzt wird China niemals Russland in den Rücken fallen, das ist gar keine Frage.

Jan van Aken: Die brauchen sich gegenseitig auf der Weltbühne, aber China hat völlig klar

Jan van Aken: gesagt, es ist völkerrechtswidrig, der Krieg muss beendet werden und China hat

Jan van Aken: jetzt schon dreimal in den letzten drei Jahren ein offensives Angebot gemacht zur Verhandlung.

Jan van Aken: Das ist aber hier nicht aufgegriffen worden, aber ich glaube,

Jan van Aken: das wäre genau der Weg, dass man China einbindet und sagt immer,

Jan van Aken: wenn Xi Jinping einlädt, dann muss Wladimir Putin kommen, ob er will oder nicht.

Jan van Aken: Das kann er sich nicht leisten, sein bester Freund oder sein bester Freund ist

Jan van Aken: das nicht, aber seinen stärksten Verbündeten, dem abzusagen.

Pauline Jäckel: Und wie kriegst du China dazu, diese Rolle einzunehmen? Das könnten sie ja schon.

Jan van Aken: China hat es von sich aus schon mehrfach gemacht. Also dieses Jahr im Mai und

Jan van Aken: im letzten Jahr im Mai jeweils gemeinsam mit Brasilien haben wir ein Angebot

Jan van Aken: gemacht, aber die Haltung in China ist halt auch, ja, der Krieg ist völkerrechtswidrig,

Jan van Aken: wir wollen, dass der gestoppt wird, wir unterstützen Russland nicht militärisch,

Jan van Aken: aber es ist euer Krieg in Europa.

Jan van Aken: Wenn ihr wollt, dass wir helfen, ihn zu lösen, dann müsst ihr kommen.

Jan van Aken: Es gibt da so eine Haltung in China, immer wenn der Westen was will,

Jan van Aken: kommen sie angepiechert und wenn sie gerade nichts wollen, dann provozieren

Jan van Aken: sie und gehen in die Aggression.

Jan van Aken: Und während der Ukraine-Krieg gerade angefangen hatte in 2022,

Jan van Aken: fiel den USA nichts Besseres ein, als mit Nancy Pelosi nach Taiwan zu fahren,

Jan van Aken: Flugzeugträger hinzuschicken und so weiter.

Jan van Aken: Das ist natürlich eine Situation, wo China sagt, und ihr wollt,

Jan van Aken: dass wir helfen, den Ukraine-Krieg zu lösen.

Jan van Aken: Das heißt, da hätte es, glaube ich, von Seiten der EU aktive Schritte geben müssen auf Peking zu.

Jan van Aken: Ich habe immer gesagt, Scholz muss jede Woche einmal nach Peking fliegen und

Jan van Aken: offen einfordern von Xi Jinping, lass uns ein gemeinsames Verhandlungsformat

Jan van Aken: machen zwischen Berlin und Peking oder zwischen Brüssel und Peking und lass

Jan van Aken: uns gemeinsam einladen.

Jan van Aken: Das hätte Peking gemacht, die hätten sich das kosten lassen.

Jan van Aken: Und ich bin auch gerne bereit, jetzt mal ein Streitgespräch darüber zu führen,

Jan van Aken: Ob wir denn den Preis zahlen wollen, den China dafür haben möchte,

Jan van Aken: bei allen Menschenrechtsverletzungen, allen Problemen, die es gibt.

Jan van Aken: Ich persönlich bin dafür, den Preis zu zahlen, wenn das Leben in der Ukraine rettet.

Felix Jaitner: Vielleicht reden wir auch über die Frage, was ein konkreter Frieden beide Seiten

Felix Jaitner: eigentlich kosten würde.

Felix Jaitner: Über was für Zugeständnisse müssten denn Russland und vor allem auch die Ukraine

Felix Jaitner: sprechen, wenn wir über konkrete Friedensverhandlungen sprechen?

Felix Jaitner: Ein Problem ist ja die Frage der besetzten Gebiete durch Russland.

Felix Jaitner: Ist es realistisch, dass die Ukraine auf eine Rückgabe dieser Gebiete verzichtet

Felix Jaitner: oder wäre das auch sinnvoller zugunsten eines möglichst raschen Friedens,

Felix Jaitner: dass die Ukraine auf diese besetzten Gebiete zumindest temporär verzichtet?

Jan van Aken: Ja, das müssen die Menschen in der Ukraine entscheiden. Ich werde es nie vergessen,

Jan van Aken: als wir im April 2022 drüber geredet haben, da gab es ja diesen Zehn-Punkte-Plan

Jan van Aken: aus den Istanbul-Gesprächen, da stand ja im Kern drin, die Krim ist weg und

Jan van Aken: Donbass ist zehn Jahre weg und Ukraine darf nie in die NATO.

Jan van Aken: Und da sagten uns die linken Genossinnen in der Ukraine, sie glauben,

Jan van Aken: dass eine Mehrheit der Menschen in der Ukraine,

Jan van Aken: dem zustimmen würden. Halbes Jahr später, nach Butschad, nach all den Kriegsverbrechen,

Jan van Aken: war die Auffassung, nee, ab jetzt gibt es überhaupt keine Zugeständnisse mehr.

Jan van Aken: Mittlerweile, als ich im letzten November da war, war eher so das Gefühl,

Jan van Aken: jetzt ist man noch zu weitergehenden Konzessionen bereit.

Jan van Aken: Aber was die Menschen in der Ukraine bereit sind zu geben und was sie nicht

Jan van Aken: bereit sind zu geben, können nur sie entscheiden.

Jan van Aken: Und da finde ich alle, die jetzt hier von außen sagen, niemals darf die Ukraine

Jan van Aken: in die NATO oder sie muss auf jeden Fall in die NATO, was wir von Kieseweltländer,

Jan van Aken: CDU hören und so, das ist völlig irrelevant. Das müssen die entscheiden.

Pauline Jäckel: Müsste das nicht auch heißen, wenn Linke in der Ukraine oder die Menschen insgesamt

Pauline Jäckel: in der Ukraine sagen, wir wollen Waffenlieferungen, dann sagt die Linke,

Pauline Jäckel: okay, wir sind für Waffenlieferungen?

Jan van Aken: Nee, das finde ich nicht, weil ich eine andere Perspektive habe.

Jan van Aken: Ich habe das gleiche Problem zehn Jahre früher gehabt in Kurdistan,

Jan van Aken: als es um Waffen für Kurdistan ging und ich auch dann extra nach Rojava gefahren

Jan van Aken: bin, um mit den Genossinnen dort zu diskutieren, warum ich Gegenwürfenlieferungen an die Kurden bin.

Jan van Aken: Und die saßen mir natürlich mit einem Gewehr auf dem Schoß gegenüber und haben

Jan van Aken: gesagt, alter, der IS greift uns jede Nacht an, ich brauche ein Gewehr.

Jan van Aken: Da habe ich gesagt, ja, aber eine Bundesregierung kann euch viel besser unterstützen

Jan van Aken: mit zivilen Methoden, indem sie verhindern, dass jede Nacht hunderte IS-Kämpfer

Jan van Aken: über die Türkei ins IS-Gebiet kommen mit ihren Waffen.

Jan van Aken: So viele Waffen wird Deutschland euch nie liefern, wieder jede Nacht rüberkommen.

Jan van Aken: Oder indem wir verhindern, dass Geld an den IS fließt und so weiter.

Jan van Aken: Das heißt, ich habe die Perspektive, was könnte eine Bundesregierung tun und

Jan van Aken: sehe da Möglichkeiten, die sehr viel effektiver sind und schneller wirken als

Jan van Aken: die Waffenlieferungen.

Jan van Aken: Dass diejenigen, die gerade in einem Bunker sitzen und beschossen werden,

Jan van Aken: dass die sagen, ich brauche eine Waffe, verstehe ich ja völlig.

Jan van Aken: Aber ich habe den Luxus in einer anderen Position.

Pauline Jäckel: Da macht sich aber natürlich schon so ein ganz konkretes Problem fest,

Pauline Jäckel: was wir als Linke ja immer wieder haben, sei es in Rojava, sei es damals nach

Pauline Jäckel: der syrischen Revolution, sei es jetzt in der Ukraine.

Pauline Jäckel: Kann man diese Art von Anti-Waffen-Lieferungshaltung in Solidarität mit denjenigen

Pauline Jäckel: vertreten, die diese Waffen eben jetzt brauchen,

Pauline Jäckel: weil sie sonst Gefahr laufen, vertrieben zu werden, ihr Territorium zu verlieren?

Jan van Aken: Ich habe keine Anti-Waffen-Lieferungshaltung. Ich habe eine Haltung,

Jan van Aken: was ist die bestmögliche Methode, um die Menschen zu unterstützen.

Jan van Aken: Und wenn wir hier am 25. Februar 2022 ein Öl-Embargo gehabt hätten,

Jan van Aken: dann wären sicherlich die Istanbuler Gespräche zwei Monate später anders verlaufen.

Jan van Aken: Vielleicht hätten wir jetzt seit drei Jahren schon gar keinen Krieg mehr und

Jan van Aken: wir hätten 100.000 Menschen leben gerettet, ohne eine einzige Waffe zu liefern.

Jan van Aken: Das heißt, zu glauben, dass eine Waffen-Lieferung die Menschen besser unterstützt

Jan van Aken: als alles andere, ist einfach falsch.

Jan van Aken: Und deswegen, ich bin überhaupt nicht so verbohrt, was Waffenlieferungen angeht.

Jan van Aken: Ich sage einmal, erst mal auf zivile Möglichkeiten gucken und sobald du das

Jan van Aken: tust, stellst du fest, hey, das ist ja viel effektiver, das nützt ihnen ja viel mehr.

Jan van Aken: Und dann stellst du auch fest, dass diese Waffenlieferungen in der Regel ein

Jan van Aken: Politikersatz sind, weil eine Bundesregierung nicht bereit ist,

Jan van Aken: das zu tun, was funktioniert, aber was sie selbst was kosten würde.

Jan van Aken: Jetzt erzähle ich doch mal eine Anekdote, die dauert jetzt eine Minute,

Jan van Aken: aber die hat mich echt geprägt in der ganzen Debatte.

Jan van Aken: 2014 Waffenlieferung an Kurdistan. Ich war zufällig aus anderen Gründen in Katar,

Jan van Aken: rede da mit dem Arbeitsminister, mit der deutschen Botschafterin und irgendwann

Jan van Aken: sagt dieser Arbeitsminister in Katar, ach wissen Sie, und guckt die Botschafterin

Jan van Aken: an, ich bin übrigens für die religiösen Stiftungen zuständig.

Jan van Aken: Und die reagiert nicht, ich wusste auch nicht, was er wollte.

Jan van Aken: Er sagt das dreimal, bis sie dann irgendwann sagt, oh, das wusste ich ja gar nicht.

Jan van Aken: Dann sagt er, ja, das wundert mich

Jan van Aken: schon, weil Ihre amerikanische Kollegin sitzt jede Woche hier bei mir.

Jan van Aken: Weil die religiösen Stiftungen waren die, worüber Millionen Spenden jeden Tag

Jan van Aken: an den IS gegangen sind, aus den Golfstaaten.

Jan van Aken: Es gab UN-Beschlüsse, die Geldflüsse an den IS zu stoppen.

Jan van Aken: Und die deutsche Botschafterin wusste nicht mehr, wer zuständig ist in Katar.

Jan van Aken: Und dann erzähle ich zwei Wochen später im deutschen Fernsehen diese Geschichte,

Jan van Aken: und das kann doch nicht wahr sein, dass die Bundesregierung da gar nichts tut.

Jan van Aken: Und dann sagt ein CDU-Land, na ja, Herr Van Aken, Sie müssen bedenken,

Jan van Aken: bei Katar muss man vorsichtig sein. denen gehören 17 Prozent der VW-Aktien.

Jan van Aken: Und da liegt der Hase im Pfeffer.

Jan van Aken: Also 17 Prozent VW-Aktien sind wichtiger als das Leben der Menschen in Kurdistan.

Jan van Aken: Dann liefert man lieber ein paar Waffen, anstatt Druck auf Katar zu machen.

Jan van Aken: Und ich glaube, das muss man immer wieder verstehen.

Jan van Aken: Da waren diese Waffenlieferungen ein echter Politikersatz, um VW zu schützen.

Felix Jaitner: Was passiert eigentlich nach dem Krieg in der Ukraine? Weil eine Folge des russischen

Felix Jaitner: Angriffs ist ja die Rückkehr der Blockkonfrontation in Europa.

Felix Jaitner: Und die wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch nach dem Ende der Kampfhandlung

Felix Jaitner: in der Ukraine fortbestehen.

Felix Jaitner: Meine Frage wäre, welche Möglichkeiten zur Deeskalation siehst du?

Felix Jaitner: Und was wären alternative Schritte, die die Linkspartei vorschlagen könnte,

Felix Jaitner: in den politischen Prozess einbringen könnte?

Jan van Aken: Also das Ziel muss immer sein, eine kooperative Sicherheit gemeinsam mit Russland und China.

Jan van Aken: Kooperative Sicherheit heißt aber, dass alle Beteiligten den Status quo akzeptieren,

Jan van Aken: das heißt die Grenzen, wie sie sind.

Jan van Aken: So hat es im Kalten Krieg geklappt, Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre,

Jan van Aken: Entspannungspolitik von Willy Brandt.

Jan van Aken: Die Grundlage war, dass sowohl die NATO als auch die Sowjetunion die Grenzziehung

Jan van Aken: akzeptiert haben. und auf der Basis konnte man tatsächlich die gegenseitigen

Jan van Aken: Sicherheitsinteresse berücksichtigen, zu Rahrabrüstungsschritten kommen und so weiter.

Jan van Aken: Russland akzeptiert aktuell den Status Quo nicht. Sie haben Nachbarland überfallen,

Jan van Aken: sie wollen Grenzen verschieben.

Jan van Aken: Deswegen gibt es null Vertrauen. Selbst wenn jetzt der Krieg in der Ukraine

Jan van Aken: vorbei sein sollte, muss man, glaube ich, erst mal ein paar Jahre,

Jan van Aken: wird man brauchen, um wieder Vertrauen herzustellen.

Jan van Aken: So bis irgendwann man sagen kann, ja, okay, die dann russische Regierung akzeptiert

Jan van Aken: den Status Quo. Das sind vielleicht immer noch Autokraten, aber sie akzeptiert den Status Quo.

Jan van Aken: Und dann muss man langsam auf diesem Vertrauen aufbauen, Schritte gehen,

Jan van Aken: wo man sagt, ja, wir haben hier wieder kooperative Sicherheit.

Jan van Aken: Der Kern davon ist, wenn eine der beiden Seiten sagt, das, was jeder gerade

Jan van Aken: macht, das beeinträchtigt meine Sicherheit, dass man das ernst nimmt und darauf

Jan van Aken: reagiert. Das hat im Kalten Krieg immer gut geklappt.

Jan van Aken: Also nicht immer, sondern in den 70er Jahren, dass man darauf Rücksicht genommen

Jan van Aken: hat und konnte deswegen auch wirklich eine Entspannungspolitik betreiben.

Jan van Aken: Aber das muss immer das Ziel sein. Wenn wir das nicht als Ziel haben,

Jan van Aken: heißt das, dass wir jetzt die

Jan van Aken: nächsten Jahrzehnte immer weiter in der Konfrontation oder im Krieg sind.

Jan van Aken: Weil eins kann ich euch garantieren, wenn wir uns in 50 Jahren zu 500 und zum

Jan van Aken: Folge dieses Podcast wieder treffen und auf die Landkarte gucken,

Jan van Aken: ist Russland immer noch unser Nachbar. Die gehen nicht weg.

Jan van Aken: Und wir müssen jetzt die Weichen stellen, ob wir 50 Jahre Krieg oder Konfrontation

Jan van Aken: haben oder ob wir 50 Jahre langsam auf eine Kooperation hin steuern.

Jan van Aken: Und das muss gar nicht Freundschaft sein, aber es geht um Kooperation.

Jan van Aken: Und dazu gehört eben auch jetzt dieses irrsinnige Wettrüsten nicht weiterzumachen.

Jan van Aken: Also die Stationierung im nächsten Jahr der Mittelstreckenraketen hier aus den

Jan van Aken: USA, das dreht auch an dieser Aufrüstungsschraube.

Jan van Aken: Jetzt diese Hunderten von Milliarden für die Bundeswehr, sagt man,

Jan van Aken: das ist alles für Verteidigung. Was glaubt ihr, was gerade in Russland für eine Debatte ist?

Jan van Aken: Die sagen, hey, guckt euch an, was die Deutschen gerade für das Militär ausgeben.

Jan van Aken: Wir müssen ja auch verdoppeln.

Jan van Aken: In drei Jahren werden wir denn hier sagen, oh, Russland hat verdoppelt.

Jan van Aken: Wir müssen auch nochmal verdoppeln.

Jan van Aken: Das heißt, diese Rüstungsspirale dreht sich ohne Ende weiter,

Jan van Aken: wenn man nicht irgendwann mal Stopp sagt. Und das ist in allen Abrüstungsschritten so.

Jan van Aken: Eine Seite muss man einen einseitigen Schritt machen. Deswegen wäre ich dafür,

Jan van Aken: dass die NATO oder Deutschland auf diese Stationierung verzichtet.

Jan van Aken: Als Signal an Russland, wir wollen nicht weiter an der Schraube drehen.

Jan van Aken: Das wäre so ein Minimalschritt, um in den nächsten fünf bis zehn Jahren langsam

Jan van Aken: wieder zu einer kooperativen Perspektive zu kommen. Im Moment ist das alles nicht möglich.

Jan van Aken: Also im Moment ist Russland der Aggressor, ist ja klar.

Pauline Jäckel: Kommen wir vielleicht mal zum Kontext Gaza, wo das ja eigentlich auch gerade sehr deutlich wird.

Pauline Jäckel: Also, dass die israelische Politik unter der rechtsextremen Regierung Netanjahus

Pauline Jäckel: jetzt zum Ziel hat, den Gazastreifen ethnisch zu säubern.

Pauline Jäckel: Auch die Westbank vollständig zu annektieren, das dürfte ja inzwischen eigentlich

Pauline Jäckel: fast allen Menschen klar sein.

Pauline Jäckel: Und der Grund, warum Israel das machen kann, ist ja, dass sie die volle Unterstützung der USA haben.

Pauline Jäckel: Nicht erst seit Trump, aber seit Trump eben auch nochmal auf eine andere Art

Pauline Jäckel: und Weise sehr deutlich für diese ethnischen Säuberungspläne.

Pauline Jäckel: Wie könnte man dem entgegentreten?

Jan van Aken: Es ist nicht nur die volle Unterstützung der USA, sondern auch Europas.

Jan van Aken: Ich glaube, es gab immer sozusagen eine gebremste Politik der israelischen Regierung,

Jan van Aken: weil klar war, sobald sie offen über Annexion reden, dann gibt es ein Stoppzeichen

Jan van Aken: aus Europa oder aus den USA.

Jan van Aken: So, und jetzt ist klar, aus den USA kommt es nicht mehr. Und jetzt stellen sie

Jan van Aken: aber auch fest, auch aus Europa kommt kaum eine Reaktion.

Jan van Aken: Also jetzt haben ein paar Staaten, fangen jetzt an zu diskutieren,

Jan van Aken: man müsste das Assoziierungsabkommen mit Israel aussetzen. Das ist neu.

Jan van Aken: Aber noch haben sie immer Deutschland und andere Staaten in Europa, die das verhindern.

Jan van Aken: Und deswegen muss man, glaube ich, erstmal hier auf Deutschland gucken und sagen,

Jan van Aken: hey, ihr müsst jetzt eure Politik gegenüber Israel auf jeden Fall verändern.

Jan van Aken: Da sitzen zwei waschechte Faschisten mit in der Regierung und ihr könnt jetzt

Jan van Aken: nicht so tun, als ob das irgendein neutraler Staat ist, den man unterstützt,

Jan van Aken: weil es eine historische Verantwortung gibt, sondern man muss diese spezifische

Jan van Aken: Regierung, da muss man klar sagen,

Jan van Aken: bis hierhin und nicht weiter und deswegen muss man da zu viel härteren Maßnahmen greifen.

Jan van Aken: Gerade weil die USA sozusagen sich jetzt voll blind auf die Seite der Annexion

Jan van Aken: und der totalen Vertreibung gestellt hat.

Jan van Aken: Ich glaube, Europa hätte die Kraft, das zu stoppen, wenn sie sich hier einig

Jan van Aken: wären und sagen würden, es gibt ja keine bevorzugte Wirtschaftsbeziehung mehr,

Jan van Aken: es gibt keine Waffenlieferungen mehr und so weiter.

Jan van Aken: Ich glaube, das könnte auch ein Netanyahu noch stoppen, weil die sind auf das

Jan van Aken: Geld aus Europa angewiesen.

Pauline Jäckel: Auch hier gibt es aber natürlich realpolitisch gesehen zwei Probleme.

Pauline Jäckel: Also zum einen natürlich auch wieder die deutschen Interessen,

Pauline Jäckel: die eben vor die Moral gehen, wie wir gesehen haben.

Pauline Jäckel: Und dazu gehört natürlich auch das Interesse, in Trump einen Verbündeten zu haben.

Pauline Jäckel: Also wir haben schon gesehen, Frankreich, Spanien wollten eigentlich Palästina

Pauline Jäckel: als Staat anerkennen und Trump drohte sofort mit Zöllen und so weiter.

Pauline Jäckel: Ja, sowas könnten wir auch erwarten.

Pauline Jäckel: Und dazu kommen natürlich andere deutsche Interessen an der militärischen Zusammenarbeit,

Pauline Jäckel: der Sicherheitszusammenarbeit, dieser ganzen Frage von Infrastrukturzusammenarbeit,

Pauline Jäckel: die da stattfindet und so weiter und so fort.

Pauline Jäckel: Auch das Einkaufen von israelischen Verteidigungssystemen wie dem Arrow City,

Pauline Jäckel: der für 3,4 Milliarden Dollar vor ein paar Jahren gekauft wurde,

Pauline Jäckel: immer noch nicht geliefert ist.

Pauline Jäckel: Das sind ja alles konkrete Interessen, die man wohl nicht bereit ist, jetzt abzugeben.

Jan van Aken: Ich weiß das nicht, ob das der Kern ist oder ob der Kern nicht eher ist,

Jan van Aken: ein vielgeleiteter Blick auf die deutsche Verantwortung für die Geschichte.

Jan van Aken: Ich finde es völlig richtig, dass eine Bundesregierung immer sagt,

Jan van Aken: das Existenzrecht Israel ist unverhandelbar.

Jan van Aken: Wir haben da eine besondere deutsche Verantwortung.

Jan van Aken: Die sehe ich genauso, die fühle ich auch so und die muss man auch wahrnehmen.

Jan van Aken: Aber das darf doch nicht dazu führen, dass man eine rechtsradikale Regierung nicht kritisiert.

Jan van Aken: Aber ich glaube tatsächlich, dass das gewichtiger ist im Moment noch in der

Jan van Aken: deutschen Bundesregierung, als jetzt die Interessen, die du aufgezählt hast.

Pauline Jäckel: Da bin ich anderer Meinung. Beziehungsweise ich frage mich, warum sollte denn

Pauline Jäckel: jetzt auf einmal in diesem Fall die Moral wichtiger sein als harte Interessen?

Pauline Jäckel: Wenn wir anderswo sagen, es geht um Interessen. Also ich verstehe natürlich,

Pauline Jäckel: wo das herkommt und teile auch teilweise diese Einschätzung.

Pauline Jäckel: Oder dieses Narrativ. Und trotzdem glaube ich, dass es aus staatlicher Sicht

Pauline Jäckel: eher benutzt wird, um zu legitimieren, was man eigentlich aus Interessen heraus macht.

Jan van Aken: Ich glaube, man darf auch nicht unterschätzen, wie im deutschen Bürgertum,

Jan van Aken: wie wichtig das ist sozusagen, aus dem Horror des Naziregimes,

Jan van Aken: aus dem Holocaust gelernt zu haben.

Jan van Aken: Und deswegen da so das ganz tief drin gefühlt wird sozusagen Solidarität mit

Jan van Aken: jüdischem Leben, Solidarität mit Israel und das deutsche Bürgertum trägt die CDU.

Pauline Jäckel: Und das ist ja auch richtig, dass das in der deutschen Bevölkerung so ist,

Pauline Jäckel: dass da zumindest teilweise eine genuine Auseinandersetzung mit dieser Geschichte gab.

Pauline Jäckel: Das ist absolut richtig, ein genuines Interesse, Antisemitismus nicht zu reproduzieren.

Pauline Jäckel: Ich glaube aber, dass gleichzeitig von verschiedenen Akteuren,

Pauline Jäckel: die daran Interesse haben, auch benutzt wurde, um eine bedingungslose Unterstützung

Pauline Jäckel: Israels zu legitimieren, zu unterstützen.

Pauline Jäckel: Das schließt ja gar nicht aus, dass der Grundgedanke nicht richtig ist oder richtig ist.

Pauline Jäckel: Aber trotzdem sehen wir da eine Instrumentalisierung, die auch ganz fatal ist,

Pauline Jäckel: eben für den Kampf gegen Antisemitismus ja ganz fatal ist, weil oft wirklich

Pauline Jäckel: dieses Narrativ, was wir immer wieder gehört haben,

Pauline Jäckel: dass jegliche Israelkritik im Prinzip potenziell oder tatsächlich antisemitisch

Pauline Jäckel: ist, das hüllt ja auch diesen Antisemitismus Begriff total aus.

Jan van Aken: Also ich glaube eher, dass es tatsächlich immer noch aus diesem zur deutschen

Jan van Aken: Geschichte kommt, weil die Interessen, ich sehe die nicht so groß,

Jan van Aken: also weder wirtschaftlich noch militärisch.

Jan van Aken: Natürlich war Deutschland im Jahre 2017 sind auf eine israelische Drohne mal

Jan van Aken: angewiesen, weil es auf dem Markt keine andere gab, die sie hätten kriegen können.

Jan van Aken: Also es gibt es punktuell mal immer wieder, aber das so strategisch,

Jan van Aken: also ist das weder die Summen, um die es geht, noch die,

Jan van Aken: strategischen Waffensysteme und ich sage mal jetzt strategischer,

Jan van Aken: geopolitisch jetzt sozusagen, da gibt es ein deutsches Interesse in einem Foothold im Nahen Osten.

Jan van Aken: Ich sehe das alles nicht so stark, was jetzt rechtfertigen würde,

Jan van Aken: warum Deutschland da so anders reagiert als Frankreich. Das fällt ja auf.

Pauline Jäckel: Ich bin in meiner Suche nach Interessen, die hier eine Rolle spielen könnten,

Pauline Jäckel: auch noch auf ein weiteres Interesse gestoßen, was vielleicht gar nicht im klassischen

Pauline Jäckel: Sinne als Interesse verstanden wird in der Geopolitik.

Pauline Jäckel: Immer wieder, wenn ich mit PolitikerInnen spreche, aller Parteien,

Pauline Jäckel: wird mir hinter vorgehaltener Hand gesagt, ja, ich finde das eigentlich auch

Pauline Jäckel: nicht so gut, aber jetzt das auszusprechen oder im Bundestag wirklich öffentlich

Pauline Jäckel: anzusprechen, das traue ich mich nicht. Warum?

Pauline Jäckel: Weil wir Akteure haben in Deutschland, allen voran die Bild-Zeitung,

Pauline Jäckel: aber auch so ein paar andere, die jede Gelegenheit nutzen,

Pauline Jäckel: jede kleine oder große Kritik an Israel, an der deutschen Unterstützung Israels

Pauline Jäckel: nutzen, um eine Diffamierungskampagne zu starten.

Pauline Jäckel: Ich glaube, auch das ist ein Interesse, auch wenn es teilweise auf einer sehr

Pauline Jäckel: individuellen Ebene passiert.

Jan van Aken: Ja, 100 pro, klar.

Pauline Jäckel: Und genau da spielt natürlich dieses staatstragende Staatsräson-Narrativ eine große Rolle.

Jan van Aken: Ja, da hast du vollkommen recht. Also es gibt so viele, die sagen,

Jan van Aken: aus dem Thema halte ich mich raus. Aus genau dem Grund. Bloß nicht die Finger verbrennen.

Pauline Jäckel: Aber vielleicht nochmal, um zurück zum Gazastreifen zu kommen.

Pauline Jäckel: Wir haben jetzt diese Situation, wie kommen wir da raus?

Pauline Jäckel: Die Linkspartei sagt zumindest jetzt, um mal mittelfristig zu denken,

Pauline Jäckel: Es müsste die alten Grenzen geben, eine Zwei-Staaten-Lösung nach den Grenzen von 67.

Pauline Jäckel: Was müsste das konkret bedeuten? Also da sind ja wirklich unglaublich viele

Pauline Jäckel: israelische illegale Siedlungen, Menschen, die dort sogar in zweiter Generation leben.

Pauline Jäckel: Wie könnte man das bewerkstelligen?

Jan van Aken: Das ist völlig richtig. Wir brauchen die Zwei-Staaten-Lösung.

Jan van Aken: Aber da zwei verfeindete Staaten zu haben, die einen hohen Zaun ziehen,

Jan van Aken: das wird nie funktionieren, aus dem einfachen Grund,

Jan van Aken: Du kannst diese illegalen oder auch die legalen, du kannst die Siedlungen auf

Jan van Aken: palästinensischen Gebieten nicht lassen, weil dann bleibt von Palästina nicht übrig.

Jan van Aken: Du kannst sie aber auch nicht alle vertreiben. Das sind 600.000,

Jan van Aken: 700.000 Siedler und Siedlerinnen, die teilweise seit 40 Jahren da irgendwie sind.

Jan van Aken: Du kriegst einen Bürgerkrieg innerhalb Israel. Das lässt sich gar nicht durchsetzen.

Jan van Aken: Und deswegen sagen ja auch viele, die Zwei-Staaten-Lösung ist tot.

Jan van Aken: Und ich finde das falsch, das zu sagen, weil es gibt sehr, sehr gute Ideen von

Jan van Aken: israelischen und palästinensischen Friedensaktivistinnen, die sagen, nee,

Jan van Aken: wir brauchen eben nicht zwei Staaten im hohen Zaun dazwischen,

Jan van Aken: sondern wir brauchen zwei Staaten, die total durchlässig füreinander sind.

Jan van Aken: A land for all ist eine dieser Parolen.

Jan van Aken: Da gibt es jetzt verschiedene Modelle für, die kann man sich alle angucken.

Jan van Aken: A land for all heißt eins, wo es heißt, ja, es gibt hier zwei Staaten,

Jan van Aken: aber alle Bürger des einen oder anderen Staates haben das Recht,

Jan van Aken: sich frei im anderen zu bewegen.

Jan van Aken: Das würde heißen zum Beispiel, die Siedlerinnen können da wohnen bleiben.

Jan van Aken: Sie sind zwar Staatsbürger Israels, leben auf palästinensischem Gebiet, so völlig normal.

Jan van Aken: Also wie das in Europa ja völlig normal ist, diese Durchlässigkeit der Grenzen.

Jan van Aken: Das heißt, da gibt es Modelle, die nennt man dann teilweise auch Einstaatmodell oder was auch immer.

Pauline Jäckel: Binationale.

Jan van Aken: Da gibt es verschiedene Modelle, aber der Kern des Ganzen ist,

Jan van Aken: das Land zwischen dem Fluss und dem Meer, from the river to the sea,

Jan van Aken: gehört beiden, wird von beiden einvernehmlich genutzt.

Jan van Aken: Und in welcher konkreten Ausformung das denn ist, ob es da zwei Staaten mit

Jan van Aken: einem Überbau gibt oder, völlig egal, aber es muss durchlässig sein und für

Jan van Aken: alle muss das Land da sein.

Pauline Jäckel: Nur kann das natürlich nicht funktionieren, solange die eine Seite militärisch so stark überlegen ist.

Pauline Jäckel: Und natürlich auch den Willen hat, das zu verhindern.

Jan van Aken: Das kann doch nicht funktionieren bei dem Hass, den es gerade gibt.

Jan van Aken: Ich meine, dass im Moment in der Breite der Bevölkerung, wir reden hier über

Jan van Aken: 70, 80, 90 Prozent der Bevölkerung, ein unbändiger Hass und totalen Vernichtungswillen.

Jan van Aken: Wir sind da gerade ganz, ganz weit von entfernt. Ich meine, wenn man sich vorstellt,

Jan van Aken: wie weit wir in Oslo schon waren, das ist eigentlich die Grundidee,

Jan van Aken: zwei Staaten ja da war vor 30 Jahren.

Jan van Aken: Und das ist jetzt so weit entfernt wie schon lange nicht mehr.

Jan van Aken: Und trotzdem muss man natürlich diesen Prozess weiter versuchen voranzutreiben.

Jan van Aken: Und da sagen mir alle Friedensaktivistinnen in Israel, das kann nur aus Europa kommen.

Jan van Aken: Warum hat in den letzten 20 Jahren niemals Deutschland oder die EU mal zu einer

Jan van Aken: größeren Friedenskonferenz eingeladen, wo dann auch mal Netanyahu gezwungen

Jan van Aken: gewesen wäre, hinzukommen und wenigstens gute Miene zum bösen Spiel zu machen?

Jan van Aken: Es gab nicht mal einen einzigen Versuch, sozusagen die Grundidee der Zwei-Staaten-Lösung

Jan van Aken: nach vorne zu treiben. Das muss man aber weiter versuchen.

Jan van Aken: Also wenn der Krieg jetzt vorbei ist, in welcher Form auch immer,

Jan van Aken: Wenn Netanyahu irgendwann mal weg ist, das braucht den Versuch.

Jan van Aken: Und da muss Europa eine ganz massive

Jan van Aken: Rolle spielen, weil von innen heraus passiert das im Moment gar nicht.

Felix Jaitner: Was wäre denn in dem konkreten Fall möglich, aus Perspektive der Linkspartei jetzt zu tun?

Felix Jaitner: Und wie könnte die Linkspartei Friedensperspektiven in Palästina und in Israel

Felix Jaitner: stärken, damit genau so ein Prozess zumindest auf erstmal niedrigem Niveau aufrechterhalten wird?

Jan van Aken: Genau das, was ich gerade gesagt habe. Also wenn wir denn in drei Jahren mitregieren,

Jan van Aken: um mal zum Anfang zurückzukommen,

Jan van Aken: dann würde ein linker Außenminister genau solche Formate, das heißt eine internationale,

Jan van Aken: sehr hochkarätige Friedenskonferenz, wo auch die israelische Seite eingeladen

Jan van Aken: wird und wo sie sich dann fünfmal überlegen muss, ob sie nicht kommt.

Jan van Aken: So, allein um die Diskussion voranzutreiben, weil was ich jetzt,

Jan van Aken: ich habe ja zwei Jahre in Tel Aviv gelebt und was man da einmal gehört hat ist,

Jan van Aken: es gab seit Oslo 30 Jahre lang in der jüdisch-israelischen Bevölkerung überhaupt

Jan van Aken: keine Debatte mehr darum, dass

Jan van Aken: es eine andere Form von Sicherheit als militärische Sicherheit geben kann.

Jan van Aken: Es war nur so, wir haben die beste, stärkste Armee, die macht uns sicher.

Jan van Aken: Das war das Einzige, was die Menschen noch an Sicherheitskonzepten kannten.

Jan van Aken: In den 90er Jahren, was zu Oslo führte, war ja der Grundgedanke, Sicherheit...

Pauline Jäckel: Vielleicht sagst du kurz, was Oslo war für die...

Jan van Aken: Es gab in Oslo in den 90er Jahren den Friedensprozess zwischen Israel und Palästina,

Jan van Aken: wo halt die jetzige Aufteilung des Landes diskutiert wurde, wo es eben palästinensische

Jan van Aken: Gebiete gab und israelische Gebiete.

Jan van Aken: Sehr kompliziert, im Grunde genommen war da auch angelegt, es gibt einen palästinensischen

Jan van Aken: Staat, im Moment ist es erstmal nur die palästinensische Authority,

Jan van Aken: die dann eine Selbstverwaltung hat, aber das ist alles in Oslo passiert.

Jan van Aken: Und da war der Grundgedanke, Land für Frieden.

Jan van Aken: Das heißt, man macht endlich eine Zwei-Staaten-Lösung, wo Palästina einen eigenen

Jan van Aken: Staat bekommt und dafür gibt es Frieden in Israel.

Jan van Aken: Das war eine völlig andere Vorstellung von Sicherheit, nicht Sicherheit durch

Jan van Aken: Gewalt oder bis an die Zähne bewaffnet, sondern Sicherheit durch,

Jan van Aken: man findet Kompromisse miteinander. Und dieser Grundgedanke,

Jan van Aken: den gibt es seit 30 Jahren überhaupt nicht mehr im jüdisch-israelischen Diskurs. Der ist weg.

Jan van Aken: Und den müssen wir, würde ich denn sozusagen, von außen versuchen reinzubringen,

Jan van Aken: indem man hochkarätige Friedenskonferenzen macht, wo halt überhaupt der Grundgedanke

Jan van Aken: hat, wir könnten hier auch mal anders sicher leben als nur mit der härtesten Armee der Welt.

Jan van Aken: Aber wir reden über Prozesse, die dauern Jahrzehnte.

Pauline Jäckel: Und jetzt würden vielleicht noch linkere Stimmen sagen oder vielleicht auch

Pauline Jäckel: die Leute, die im Gaza-Streifen sind, ihr wollt eine Friedenskonferenz machen,

Pauline Jäckel: werden wir abgeschlachtet werden.

Jan van Aken: Du hast ja gerade gefragt, was ist, wenn jetzt in Gaza Frieden ist sozusagen,

Jan van Aken: was könnte dann die Linke machen.

Jan van Aken: Also insofern ist das danach. Jetzt akut ist das völlig klar.

Jan van Aken: Keine Waffen mehr liefern, keine finanzielle Unterstützung, keine finanzielle Sonderkondition.

Jan van Aken: Also das Assoziierungsabkommen, das muss gestoppt werden. Das ist überhaupt keine Frage.

Jan van Aken: Und vor allen Dingen die Anerkennung des Staates Palästina.

Pauline Jäckel: Und was macht Deutschland, wie es ja wohl in Spanien, Frankreich passiert ist,

Pauline Jäckel: wenn dann Trump kommt und sagt, na gut, also wenn ihr nicht mehr Israel unterstützen

Pauline Jäckel: wollt und jetzt euch da distanziert, dann drücken wir euch noch mehr Zölle rein

Pauline Jäckel: oder was auch immer er dann macht. Wir schützen euch nicht mehr.

Jan van Aken: Die Frage ist ja größer. Die Frage ist ja insgesamt, was macht man gegenüber den Trumpschen Zöllen?

Jan van Aken: Und ich habe die ganze Zeit das Bild vom Schulhof, weißt du?

Jan van Aken: Da gibt es den einen Bulli, der zieht ein Kind nach dem anderen ab.

Jan van Aken: Und in dem Moment, wo die Kids sich alle zusammentun, kann der Bulli keinen

Jan van Aken: einzigen mehr abziehen.

Jan van Aken: Deswegen, dass am Anfang hier Europa zugeguckt hat und geschwiegen hat,

Jan van Aken: wie Trump mit seinen Zolldrohungen ein lateinamerikanisches Land nach dem anderen

Jan van Aken: erpresst hat und Zugeständnisse bekommen hat, das war ein Fehler.

Jan van Aken: Jetzt ist Europa selbst dran. Wie gesagt, die ganze Zeit, man braucht jetzt

Jan van Aken: eigentlich mal so eine Sondersitzung der Vereinten Nationen ohne die USA,

Jan van Aken: wo man sich darüber verständigt, wie geht man mit dem Bulli um.

Jan van Aken: Weil wenn die alle zusammenstehen und klare Positionen haben,

Jan van Aken: dann kann Trump mit Zöllen drohen, so viel wie er will, dann ist er alleine.

Jan van Aken: Also das ist sozusagen dieser Grundgedanke, du darfst dich doch von dem einen

Jan van Aken: großen Elefanten im Raum nicht erpressen lassen.

Jan van Aken: Und das Einzige, was dir hilft, ist das Zusammentun.

Felix Jaitner: Vielleicht ist das ein ganz guter Übergang jetzt zu unserem nächsten Punkt.

Felix Jaitner: Wir würden noch mal gerne über das sich verändernde transatlantische Verhältnis sprechen.

Felix Jaitner: Und wie du weißt, heißt unser Podcast ja Weltunordnung. Und ein Ausdruck dieser

Felix Jaitner: Verschiebung ist ja der Konflikt zwischen den USA und der Europäischen Union.

Felix Jaitner: Am Wahlabend hast du ja mit Friedrich Merz gemeinsam an der Elefantenrunde teilgenommen

Felix Jaitner: und wurde Zeuge der Aussage des Bundeskanzlers, es sei seine absolute Priorität,

Felix Jaitner: Europa so zu stärken, dass wir Schritt für Schritt Unabhängigkeit erreichen von den USA.

Felix Jaitner: Heute, jetzt wenige Monate später, zeigt sich, dass die Bundesregierung in Aufrüstungsfragen

Felix Jaitner: den US-Vorgaben folgt und im Zollstreit Gegenmaßnahmen der EU skeptisch sieht.

Felix Jaitner: Ja auch nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass man versucht,

Felix Jaitner: das deutsche Exportmodell zu retten. Der US-Markt ist der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Waren.

Felix Jaitner: Das heißt, die deutsche Außenpolitik ist auch durch Interessen der USA bestimmt.

Felix Jaitner: Was gibt es eigentlich für Möglichkeiten, aus dieser Abhängigkeit zu kommen?

Jan van Aken: Ich glaube, da ist gar kein Widerspruch. Man muss das, was Merz da gesagt hat, sehr ernst nehmen.

Jan van Aken: Und ich glaube, der meint wirklich Deutschland zu alter Stärke.

Jan van Aken: Also es gibt jetzt auch in den letzten Monaten gab es immer wieder mal Äußerungen

Jan van Aken: von Merz dazu, dass sozusagen wir sind die Führungsnation unter deutscher Führung und so weiter.

Jan van Aken: Das heißt, das ist, glaube ich, wirklich sein Ziel. Vielleicht nicht in seiner

Jan van Aken: Kanzlerschaft, aber sein grundlegendes Ziel ist, Deutschland war mal die stärkste

Jan van Aken: Nation der Welt und die soll es wieder werden.

Jan van Aken: Das Ziel ist, glaube ich, fest verankert bei ihm. Was ich grauenvoll finde,

Jan van Aken: weil an der starken deutschen Nation sind schon zwei Weltkriege losgebrochen.

Jan van Aken: Deswegen ist das, glaube ich, ganz gefährlich. Und das will er wirklich.

Jan van Aken: Da schließt es ja aber gar nicht aus, dass er Handelsabkommen mit den USA macht.

Jan van Aken: Also, machst du mit allen anderen Ländern auch, egal, ob du der Stärkste bist oder nicht.

Jan van Aken: Also ich glaube, dass er jetzt in der Realpolitik im Alltag,

Jan van Aken: dass er da auf Erpressungsmethoden von Trump eingeht, dass er da eine Kooperation mit den USA eingeht,

Jan van Aken: das ändert nichts daran, dass er im Kern will, unter deutscher Führung soll

Jan van Aken: Europa zur Weltmacht Nummer eins werden.

Pauline Jäckel: Also du glaubst ihm das, du kaufst ihm

Pauline Jäckel: das ab, dass er schon diese Art von Unabhängigkeit perspektivisch will.

Pauline Jäckel: Jetzt natürlich auf kurze Sicht ist das schwierig.

Pauline Jäckel: Weil ich habe zwischendurch mal daran gezweifelt. Ich dachte eigentlich, okay,

Pauline Jäckel: nach diesem Selensky-Debakel im Weißen Haus nutzt man das jetzt so ein bisschen

Pauline Jäckel: als Window of Opportunity, um diese

Pauline Jäckel: Rüstungsmilliarden und diese Schuldenbremslockerungen zu legitimieren.

Pauline Jäckel: Aber eigentlich ist man nicht wirklich daran interessiert, unabhängig zu werden.

Pauline Jäckel: Jetzt habe ich da auch meine Perspektive nochmal ein bisschen geändert.

Pauline Jäckel: Am Ende kann man natürlich nicht sicher sein.

Jan van Aken: Also, ich glaube, dass er ernsthaft nicht befürchtet, dass er das ernst meint.

Jan van Aken: Also, ich sehe das nicht positiv.

Jan van Aken: Ich sage ja auch, oder wir als Linke sagen auch, wir wollen Sicherheit europäisch denken.

Jan van Aken: Aber immer sozusagen maximal im Sinne von Verteidigung und auf gar keinen Fall

Jan van Aken: im Sinne von vierter Weltmacht.

Jan van Aken: Merz sieht das als vierte Weltmacht unter deutscher Führung.

Jan van Aken: Das ist ein Riesenunterschied. Das heißt, wir sind uns an dem Punkt einig,

Jan van Aken: irgendwie unabhängiger von den USA, aber mit zwei völlig unterschiedlichen Zielen.

Jan van Aken: Und das glaube ich wirklich, wenn du guckst, wie plötzlich die Debatte um deutsche

Jan van Aken: Atomwaffen. Und also an vielen Punkten spürst du, es gibt in der CDU starke

Jan van Aken: Kräfte, die trauen sich wieder davon zu reden.

Jan van Aken: Zuletzt hatten wir das mal mit Franz Josef Strauß in den 70er Jahren,

Jan van Aken: dass man ein deutscher Minister irgendwie sich getraut hat, über deutsche Atomwaffen

Jan van Aken: zu reden und sozusagen Deutschland zurück zur Weltmacht.

Jan van Aken: Das ist jetzt ernst gemeint von denen.

Felix Jaitner: Wie erklärst du dir denn diesen Kurswechsel im Denken der deutschen Eliten?

Jan van Aken: Das ist spannend. Ist das vielleicht,

Jan van Aken: weil eine Nachkriegsgeneration jetzt nicht mehr an der Macht ist?

Jan van Aken: Also ich weiß noch in meiner letzten Zeit im Bundestag, ich war ja von 2009

Jan van Aken: bis 2017 im Bundestag, das war, wie oft habe ich das gehört sozusagen,

Jan van Aken: die NATO ist nicht nur Schutz für Deutschland, sondern auch Schutz vor Deutschland.

Jan van Aken: Das sagen der CDUler auch. Das heißt, dass viele andere europäische Staaten,

Jan van Aken: das sitzt immer noch tief, dass Deutschland sie zweimal überfallen hat.

Jan van Aken: Und dass die NATO eben auch ein Schutz davor ist, dass Deutschland sie nicht nochmal überfällt.

Jan van Aken: Und das haben die auch gefühlt. Also auch diese Konservativen haben das noch

Jan van Aken: gefühlt. Und vielleicht ist es jetzt eine neue Generation, die das gar nicht mehr fühlt.

Felix Jaitner: Vielleicht ist es so, dass vor dem Hintergrund der neu entstehenden deutsch-russischen Konkurrenz

Felix Jaitner: auch versucht wird, wieder offensiver Deutsche politische Interessen zu formulieren

Felix Jaitner: und das zu verbinden mit einem zumindest europäischen Führungsanspruch?

Felix Jaitner: Ist das nicht auch sozusagen Teil dieses Ausdrucks, dieses Kurswechsels?

Jan van Aken: Ja, vielleicht ist es auch, sie dürfen jetzt. Also in Anbetracht der russischen

Jan van Aken: Aggression und mit dieser Erzählung, sonst überfällt der Russe uns alle hier,

Jan van Aken: dürfen sie plötzlich wieder über militärische Stärke reden.

Jan van Aken: Das war ja irgendwie jahrzehntelang verpönt in Deutschland, was ja gut war.

Jan van Aken: War ja auch Teil unseres Erfolges.

Jan van Aken: Also ich habe da noch nicht so länger drüber nachgedacht. Aber vielleicht ist

Jan van Aken: es nicht nur der Generationswechsel, sondern auch plötzlich können sie es ungestraft

Jan van Aken: tun und eine Mehrheit der Deutschen steht dahinter, weil es steht ja gerade

Jan van Aken: der große Aggressor vor der Tür.

Jan van Aken: Also der Ausgangspunkt für mich ist, es gibt eine reale Bedrohung durch Russland.

Jan van Aken: Die haben gerade ein Nachbarland überfallen und ich kann nicht ausschließen,

Jan van Aken: dass sie auch damit liebäugeln, zum Beispiel Länder im Baltikum zu überfallen.

Jan van Aken: Das heißt, für eine EU- und Landesverteidigung brauchst du ein gewisses Militär.

Jan van Aken: Das ist mein Ausgangspunkt.

Jan van Aken: Und die eine Frage, die ich dir immer stelle, was brauchst du denn für eine

Jan van Aken: EU- und Landesverteidigung?

Jan van Aken: Und ist das wirklich das einzige Ziel? Und in allen Debatten mit den Herrschenden,

Jan van Aken: mit dem Militärkomplex und so weiter, kommt dann immer raus,

Jan van Aken: naja, natürlich wollen wir auch unsere Handelswege schützen.

Jan van Aken: Natürlich muss man auch woanders auf der Welt dann irgendwie militärisch eingreifen,

Jan van Aken: wenn es notwendig ist und so weiter und so fort.

Jan van Aken: Das heißt, die gesamten riesigen Summen, über die gerade geredet wird,

Jan van Aken: da geht es nicht nur um eine EU-Landesverteidigung, sondern immer um dieses

Jan van Aken: Weltmacht-Europa, Machtprojektion bis ans Ende der Welt.

Jan van Aken: Und wenn wir das alles rausrechnen, diese Machtprojektion und die Auslandseinsätze,

Jan van Aken: dann glaube ich, dass wir mit dem jetzigen Militärhaushalt hinkommen.

Jan van Aken: Für eine reine EU-Landesverteidigung, auf die würde ich im Moment auch nicht

Jan van Aken: verzichten. Weil da haben einfach real ganz viele Menschen Angst in Deutschland.

Jan van Aken: Und das ist nicht gut, wenn ihm viele Menschen Angst haben. Deswegen muss man

Jan van Aken: denen die Sicherheit geben.

Jan van Aken: Man muss aber auch Russland die Sicherheit geben, dass man mit dem,

Jan van Aken: was hier militärisch steht, überhaupt keine Sekunde lang Russland angreifen kann.

Jan van Aken: Das ist das, was im Kalten Krieg so gut funktioniert hat. Das Konzept nennt

Jan van Aken: sich strukturelle Nicht-Angriffsfähigkeit.

Jan van Aken: Das heißt, du hast eine Armee, die kann sich verteidigen, aber die hat gar nicht

Jan van Aken: die Fähigkeiten, ein anderes Land anzugreifen, weil ihnen bestimmte Elemente

Jan van Aken: für einen Angriffskrieg fehlen. Das wäre mein Modell.

Jan van Aken: Mit einer solchen Bundeswehr wäre ich im Moment zufrieden.

Felix Jaitner: Jetzt mal angenommen, du wärst Außenminister oder sogar Bundeskanzler.

Felix Jaitner: Was wäre denn dann deine Vision für eine eigenständige deutsche Außenpolitik?

Jan van Aken: Meine Vision ist eine Friedensmacht Deutschland. Und da drin steckt schon mal das Wort Macht.

Jan van Aken: Das machen jetzt viele Linke verschrecken, weil wir wollen ja keine Macht.

Jan van Aken: Aber völlig egal, was du findest oder nicht, Deutschland ist eine Macht.

Jan van Aken: Allein als eine der größten Wirtschaftsmächte

Jan van Aken: der Welt irgendwie hast du Einfluss überall auf der Welt.

Jan van Aken: Und ich würde diese Macht aber nutzen für den friedlichen Weg.

Jan van Aken: Und Friedensmacht Deutschland hat sehr viele kleine Elemente.

Jan van Aken: Also eines ist zum Beispiel kein Gewaltexport.

Jan van Aken: Das heißt, keine Waffenexporte mehr. Und zwar überhaupt keine mehr an niemanden,

Jan van Aken: auch nicht an Bündnispartner. Japan hat das jahrzehntelang gemacht.

Jan van Aken: Es kommt dann immer das Argument nachher, dann verlierst du ja Einfluss oder

Jan van Aken: nimmt dich niemand mehr ernst oder niemand handelt mehr mit dir.

Jan van Aken: Hey, Japan hat 60 Jahre gemacht.

Pauline Jäckel: Du verlierst auch Wirtschaftskraft, ne?

Jan van Aken: Es ist alles überschaubar. Also die deutschen Waffenexporte sind genau 0,1 Prozent

Jan van Aken: aller deutschen Exporte.

Jan van Aken: Also diese 0,1 Prozent verkraftet ein Land wie Deutschland auch.

Jan van Aken: Also das ist nicht das Entscheidende. Also das heißt keine Gewaltexporte,

Jan van Aken: das heißt keine Auslandsansätze der Bundeswehr, keine Waffenexporte und so weiter.

Jan van Aken: Dazu gehört aber auch keine gewaltvollen Wirtschaftsbeziehungen,

Jan van Aken: sondern dass du siehst, wo sind extrem ungerechte Wirtschaftsbeziehungen.

Jan van Aken: Zum Beispiel beim Kakao, das ist immer mein Lieblingsbeispiel,

Jan van Aken: dass die Menschen, die den Kakao produzieren in der Elfenbeinküste.

Jan van Aken: Weit, weit unterhalb des Existenzminimums bekommen für den Kakao,

Jan van Aken: während die hier irgendwie die Schokolade für zwei Euro verkaufen.

Jan van Aken: Das sind Dinge, die muss man ändern. Da verliert man dann natürlich auch Gewinne.

Jan van Aken: Natürlich ist das was, wo auch wir drei hier am Ende einen bestimmten kleinen

Jan van Aken: Teil unseres Luxuses verlieren würden, weil dann wird die Schokolade eben noch

Jan van Aken: teurer. Die kostet nicht mehr nur zwei Euro, sondern zwei Euro zehn.

Jan van Aken: Das muss man einfach mitdenken. Aber ich bin dafür, dass Deutschland sich als

Jan van Aken: diese Friedensmacht aufstellt, auch zum Beispiel auf allen anderen Kontinenten

Jan van Aken: Friedensuniversitäten unterhält, wo lokale Friedensfrachtkräfte,

Jan van Aken: Mediatoren ausgebildet werden.

Jan van Aken: Es gibt so viele Konflikte, die lassen sich lokal lösen, aber lokal heißt immer,

Jan van Aken: du musst mindestens 1000 Leute hinschicken.

Jan van Aken: Aber Südsudan zum Beispiel, der Bürgerkrieg hätte verhindert werden können,

Jan van Aken: wenn du in jedem zweiten Ort Friedensfachkräfte gehabt hättest,

Jan van Aken: weil das waren alles lokal entstandene Konflikte, die sich zum Bürgerkrieg ausgeweitet haben.

Jan van Aken: Die Leute musst du ausbilden, das kostet Geld, aber das ist alles so unendlich

Jan van Aken: viel weniger Geld, wie allein die Auslandsansätze gekostet hätten.

Jan van Aken: Das heißt, dieses Grundkonzept von Friedensmacht Deutschland,

Jan van Aken: das würde am Anfang natürlich bei Verbündetenstaaten erstmal Kopf schütteln

Jan van Aken: und ihr Spinner und ihr liefert mir jetzt nicht mehr mal die Raketen,

Jan van Aken: obwohl wir Bündnispartner sind,

Jan van Aken: aber am Ende ist das was, womit du dir in Profile arbeiten kannst,

Jan van Aken: wo du weltweit anerkannt bist, denn das ist ja immer noch so,

Jan van Aken: das ist ja völlig absurd.

Jan van Aken: Egal, wo du hinkommst, Deutschland hat einen extrem guten Ruf.

Jan van Aken: Selbst in Afghanistan, bei dieser Bombardierung der beiden Lastwagen damals

Jan van Aken: 2009, wo 130 Menschen gestorben sind aufgrund des Befehls eines deutschen Offiziers.

Jan van Aken: Selbst da in dem Ort haben die mir gesagt, die Deutschen sind schon ganz okay.

Jan van Aken: Die Schlimmen sind die Amerikaner.

Pauline Jäckel: Ja, der Ruf hat jetzt doch schon gelitten. Also was ich mich frage,

Pauline Jäckel: wenn du das so ausführst und ich würde vieles davon teilen, nur dann kommt auch

Pauline Jäckel: wieder so diese realpolitische Person in mir raus.

Pauline Jäckel: Funktioniert das Verzichten auf so viele Profite, wenn man zum Beispiel sagt,

Pauline Jäckel: wir handeln nur noch mit Staaten, die wir moralisch okay finden?

Pauline Jäckel: Funktioniert das innerhalb einer kapitalistischen Ordnung?

Jan van Aken: Nur Staaten, mit denen wir moralisch okay finden, kannst du nicht mehr mit dir

Jan van Aken: selber handeln. Ganz genau.

Jan van Aken: Darum geht es nicht, sondern dass du bestimmte extreme Ungerechtigkeiten wahrnimmst.

Jan van Aken: Also dieses Lieferkettengesetz war ja ein guter Anfang.

Jan van Aken: Ich würde zum Beispiel sagen, wir müssen mal eine globale Debatte anstoßen darum,

Jan van Aken: dass überall Mindestlohn gezahlt wird.

Jan van Aken: Und Deutschland erhebt Sonderzölle auf Länder, die nicht den Mindestlohn zahlen.

Jan van Aken: Mindestlohn sind immer 60 Prozent vom medialen Lohn usw.

Jan van Aken: Das kann man ja immer berechnen. Das heißt, du kannst Dinge durchsetzen und

Jan van Aken: das wird für die Endverbraucherinnen hier teurer, aber immer nur im Bereich von 5%, 10%.

Jan van Aken: Wenn du mal durchrechnen willst, wie viel Arbeitslohn im T-Shirt steckt und

Jan van Aken: wenn du den verdoppelst, dann ist der T-Shirt-Preis am Ende kaum höher.

Jan van Aken: Das musst du auch gegen harte Wirtschaftsinteressen durchsetzen,

Jan van Aken: aber ich halte es für möglich. Nimm dir Lula.

Jan van Aken: Lula als linker Präsident von Brasilien, der jetzt mit seiner globalen Vermögenssteuer kommt.

Jan van Aken: Natürlich ist die viel zu niedrig und alles, aber dass überhaupt jetzt mal die

Jan van Aken: Debatte stattfindet darum und möglicherweise einige Länder das dann machen und

Jan van Aken: damit auch Steueroasen schließen.

Jan van Aken: Also das sind doch alles Möglichkeiten, die du hast. Und da verlierst du bei

Jan van Aken: bestimmten Ländern Ansehen, da ruckelt das wirtschaftlich hier und da.

Jan van Aken: Und auf der anderen Seite gewinnst du sehr viel Ansehen. Und damit gewinnst

Jan van Aken: du dann auch wirtschaftliche Zusammenarbeit in anderen Bereichen wieder.

Jan van Aken: Ich glaube, das funktioniert.

Pauline Jäckel: Das wäre im Prinzip so ein durch Ethik eingeschränkter Kapitalismus.

Jan van Aken: Ja, ich möchte natürlich den Kapitalismus überwinden.

Jan van Aken: Das machen wir hier zuerst in Deutschland mit bestimmten Maßnahmen.

Jan van Aken: Ja, und auch das ist natürlich nicht, du kommst irgendwie an die Regierung und

Jan van Aken: selbst wenn wir Kanzler stellen als Linke, dann werden wir nicht morgen den

Jan van Aken: Kapitalismus abgeschafft haben.

Jan van Aken: Aber du kannst dafür sorgen, dass erstens bestimmte Spitzen des Kapitalismus

Jan van Aken: wie der Mietmarkt oder wie überhaupt Profite auf grundlegende Lebensbedürfnisse

Jan van Aken: abschafft, aber dass du dann auch anfängst, wie Grund und Boden wird nur noch

Jan van Aken: gemeinschaftlich betrieben.

Jan van Aken: Das darf nicht mehr privatisiert werden und solche Dinge. oder Subventionen

Jan van Aken: nur noch für genossenschaftliche Projekte und so weiter und so fort.

Jan van Aken: Es gibt ja tausend Möglichkeiten, wie du innerhalb des Kapitalismus ihm seine

Jan van Aken: Spitze nimmst und eine Trendwende hin einleitest zu einer anderen Art des Wirtschafts,

Jan van Aken: die nicht mehr so kapitalistisch dominiert ist.

Jan van Aken: Aber das zu glauben, du kannst es in vier Jahren auch global machen,

Jan van Aken: das halte ich für illusorisch.

Jan van Aken: Da geht es dann, glaube ich, eher sozusagen von einer gewaltvollen internationalen

Jan van Aken: Beziehung zu einer friedlichen internationalen Beziehung zu kommen.

Pauline Jäckel: Ich meine, bevor wir jetzt noch einen Podcast darüber machen,

Pauline Jäckel: wie wir den Kapitalismus überwinden, müssen wir, glaube ich,

Pauline Jäckel: aufhören. Auch wenn ich das sehr gerne machen würde.

Pauline Jäckel: Auf all diese Themen, über die wir gesprochen haben, werden wir auch noch in

Pauline Jäckel: unseren anderen Folgen eingehen.

Pauline Jäckel: Leider nicht mehr mit dir, sondern mit anderen Experten.

Felix Jaitner: Genau. Wir werden vor allen Dingen auch noch die verschiedenen Konflikte,

Felix Jaitner: die wir ja bereits angesprochen haben, also China, USA, Nahe Osten,

Felix Jaitner: das werden wir auch noch vertiefen in weiteren Folgen.

Felix Jaitner: Aber wir bedanken uns erstmal sehr herzlich bei dir, dass du da warst,

Felix Jaitner: dass du dich unseren Fragen gestellt hast.

Pauline Jäckel: Vielen Dank, lieber Jan.

Jan van Aken: Danke euch.

Jan van Aken: Es war mir ein sehr Glück.

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